Kettenbriefe und Fake News im Netz: kennen und enttarnen

Kinder erhalten über soziale Netzwerke wie WhatsApp immer wieder Kettenbriefe. Warum sie gefährlich sind und wie Eltern und Kinder am besten damit umgehen, erklärt Leonie Lutz in ihrem Gastbeitrag. Darüber hinaus zeigt sie auf, wie man Falschmeldungen enttarnt.

Falschmeldungen und Kettenbriefe enttarnen

Ob Großeltern, Eltern oder Kinder: Kettenbriefe, die sich über soziale Netzwerke verbreiten, betreffen alle. Doch während Eltern meist typische Falschmeldungen oder vermeintliche Gewinnspiele weitergeleitet bekommen, sind es bei Kindern häufig WhatsApp-Nachrichten, die äußerst bedrohlich sind.

In diesem Beitrag erkläre ich, wie man solche Nachrichten enttarnt, wo man nachprüfen kann, ob ein Foto echt ist oder bearbeitet wurde und welche Kettenbriefe bei Kindern im Umlauf sind.

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Unsere Gastautorin Leonie Lutz ist Redakteurin, Bloggerin und Gründerin von "Kinder digital begleiten". Die Mutter von zwei Töchtern schreibt für die DEVK darüber, wie Eltern ihre Kinder in der digitalen Welt begleiten und schützen können.

Leonie Lutz

Gastautorin

Sind die Nachrichten echt?

Generell ist es wichtig, sich von Nachrichten aus unklaren Quellen nicht verängstigen zu lassen. Angst ist nicht hilfreich, eine gesunde Skepsis hingegen schon. Sowohl Fake News als auch Kettenbriefe erkennt man häufig recht schnell, da sie meist viele Rechtschreib- und Grammatikfehler enthalten.

Ob es sich um eine faktisch korrekte Meldung handelt, kann auch über "richtiges googeln" recherchiert werden. Setzen Sie dazu einfach die Überschrift des angeblichen Original-Artikels in Anführungszeichen und starten Sie die Google-Suche. Außerdem gibt es äußerst hilfreiche Webseiten, die Falschnachrichten enttarnen.

Es ist ausgesprochen wichtig, dass Eltern die Kettenbriefe kennen, die Kindern geschickt werden. Man neigt als Mutter oder Vater dazu, zu glauben, dass man sich gut auskenne im Netz, weil man WhatsApp, Facebook oder vielleicht sogar Instagram selbst nutzt. Was Eltern dabei aber häufig nicht auf dem Schirm haben: Das Netz ihrer Kinder ist ein anderes Internet als das, wie Eltern es nutzen und erleben.

Die meisten Eltern sind keine Digital Natives. Kinder hingegen sind mit Smartphones groß geworden und haben häufig ihren Eltern gegenüber einen Wissensvorsprung. Das freut die Kids, manche Eltern vielleicht auch – aber diese Entwicklung schützt Kinder nicht. Wie in anderen Bereichen auch sollten Eltern hier Ansprechpartner für die Kinder sein – und nicht umgekehrt.

Wenn ich in meinen Vorträgen von Kettenbriefen berichte, sind viele Eltern zutiefst schockiert, weil sie vielleicht schon einmal von "Momo" gehört haben, aber keinesfalls wussten, dass es da noch mehr "solcher Nachrichten" gibt. Viele glauben auch, dass ihre Kinder ihnen schon davon erzählen würden. Das mag sein. Es ist aber auch möglich, dass sie eben nichts davon erfahren, weil Kinder eine Sache niemals riskieren würden: besorgte Eltern und ein daraus resultierender Smartphone-Entzug.

In diesem Beitrag stelle ich weit verbreitete Kettenbriefe unter Kindern vor. Ich schreibe dies nicht auf, um Eltern zu schockieren. Sondern um ihnen die Chance zu geben, mit diesem Wissen ihre Kinder altersgerecht aufzuklären.

Kettenbriefe bei Kindern

Kettenbriefe bei Kindern sind alles andere als harmlos und keinesfalls mit Kettenbriefen zu vergleichen, die es früher in Briefform gab. WhatsApp-Kettenbriefe sind häufig massiv verstörend und können Kinder sehr verunsichern.

Ganz wichtig ist also, dass Kinder mit eigenem Smartphone von der Existenz solcher Kettenbriefe wissen. Ich ermutige Eltern, ihre Kinder hierzu aufzuklären. Denn wer alt genug für ein eigenes Smartphone ist, muss auch wissen, welche Gefahren die Nutzung mit sich bringt. Nachfolgend liste ich die populärsten Kettenbriefe bei Kindern auf.

Momo war ursprünglich die Statue des japanischen Künstlers Keisuke Aiso. Mittlerweile hat der Künstler selbst sein Werk zerstört, nachdem er von der Wucht erfahren hat, wie Momo als Kettenbrief Kinder verängstigt. Dennoch: Sowohl Bilder also auch Texte geistern immer wieder durchs Netz.

Momo schreibt: "Hallo ich bin Momo und bin vor 3 Jahren verstorben. Ich wurde von einem Auto angefahren und wenn du nicht möchtest, dass ich heute Abend um 00:00 Uhr in deinem Zimmer stehe und dir beim Schlafen zuschaue dann sende diese Nachricht an 15 Kontakte weiter. Du glaubst mir nicht? Angelina hielt die Nachricht für Fake und schickte sie an niemanden weiter. In der Nacht hörte sie Geräusche aus einer Ecke ihres Zimmers, sie wollte nachgucken doch auf einmal rannte etwas auf sie zu. Am nächsten Morgen wurde sie tot in ihrem Bett gefunden. Tim schickte die Nachricht nur an 6 Leute weiter; am nächsten Morgen wachte er mit einem abgefressenen Bein auf ….".

Teresa Fidalgo ist ein kurzer Kettenbrief, der allerdings nicht weniger schlimm ist. Denn Teresa animiert Kinder, bei Google nach ihr zu suchen. Tun Kinder das, finden sie quasi den "Beweis", dass es Teresa gibt. Allerdings ist dieser vermeintliche Beweis der Werbefilm eines portugiesischen Horrorfilms.

Teresa schreibt: "Heute ist das 26. Jahr, das ich tot bin. Wenn du dies nicht an 20 Personen schickst, schlafe ich heute neben dir im Bett, FÜR IMMER. Wenn du es nicht glaubst, schreib meinen Namen in Google. Wer es nicht glaubt, schaut euch das Video an."

Was Kinder dann tun, ist: Sie folgen Teresas Aufforderung und googeln ihren Namen. Entdecken Kinder den Werbefilm, glauben sie möglicherweise an die tatsächliche Existenz von Teresa. Deshalb sollten Kinder wissen, dass es diesen erfundenen Kettenbrief gibt und welchen wahren Ursprung er hat.

Der Kettenbrief um Tobias Mathis ist hingegen fast schon harmlos, aber nicht weniger verbreitet, weil er auch unter Erwachsenen verschickt wird. Tobias Mathis treibt seit Jahren sein Unwesen. Sein Kontakt soll angeblich mit einem "Virus" infiziert sein, der das Smartphone zerstört. Wie auch die Meldungen von "Anouk Theiler", "Ute Lehr" oder "Ute Christoph", die denselben Warnmeldungen folgen, handelt es sich hier um eine Falschnachricht. Weder droht akute Gefahr, noch gibt es die genannten Personen.

Auch Kettenbrief Nico kann Kinder massiv verstören. Die Besonderheit bei Nico: Er kommt als Sprachnachricht.

Das sagt die Nachricht: "Hi, ich bin Nico und neun Jahre alt und habe keine Hände mehr und mein Gesicht ist voller Narben und Blut. Wenn du diese Nachricht nicht an 20 Leute schickst, komme ich um 0.00 Uhr zu dir. Du glaubst es nicht? Anna Weinfeld hat es einfach ignoriert, sie glaubte nicht daran. Um 0.00 Uhr hörte sie komische Geräusche aus dem Flur, sie ging in den Flur und sah mich. Sie schrie um ihr Leben. Aber na ja, ich brachte sie um und keiner hat sie seitdem gesehen. Du glaubst mir immer noch nicht? Tim Schnälzer hat es nur an 5 Leute geschickt, er selbst sitzt heute im Rollstuhl und kann sich nicht mehr bewegen. Lars Berger hat es allen Leuten geschickt. Er hat eine tolle Familie und ist reich geworden. Wenn du es nicht weiterschickst, wirst du morgen nicht mehr leben. Oder du schickst es weiter und wirst viel Glück haben. Was bedeutet deine Mutter dir? Ohne sie wären wir nicht wir. Schicke dies in 20 Minuten an 20 Leute. Wenn du es nicht tust, wird deine Mutter in 5 Jahren ermordet. Beeile dich, wenn du deine Mutter liebst. Ein Kind hat einen Beweis. Er wollte es nicht weiter schicken - 5 Jahre später wurde seine Mutter ermordet."

Ein Kettenbrief mit so einem Text – gesprochen oder geschrieben – versetzt Kinder in große Sorge, weil er mit Urängsten spielt. Es ist wirklich besonders wichtig, Kinder darüber aufzuklären, bevor sie eine Nachricht wie diese erhalten. Denn natürlich droht auch hier keine Gefahr und Nico gibt es nicht.

Damians Kettenbrief wird seit vielen Jahren immer wieder verbreitet. Auch Damian kommt als Sprachnachricht. Er berichtet, dass eine gruselige Gestalt im Kinderzimmer steht, die das Kind beobachtet, am nächsten Tag mit Messern bewirft und tötet. Um nicht sterben zu müssen, sollen Kinder den Kettenbrief weiterleiten.

Auch Damians Geschichte ist frei erfunden und hat keine Konsequenzen. Niemand kommt zu Schaden, es besteht keine Gefahr.

Kettenbriefe und ihre Mechanismen

Als Erwachsener merkt man es beim Lesen: Ganz gleich, welcher Name dahintersteckt, alle Kettenbriefe sind Falschmeldungen und frei erfunden. Kinder müssen aber unbedingt wissen, dass kein Grund zur Sorge besteht, sie solche Nachrichten umgehend löschen und niemals weiterleiten sollten.

Kettenbriefe: Regeln können helfen

Viele Eltern fragen sich: Wie kann ich mein Kind davor beschützen? Unbedingt hilfreich ist es zum Beispiel, im Freundeskreis oder Klassenverbund WhatsApp-Regeln festzulegen.

Wir haben das damals bei einem Elternabend in der Schule beschlossen. Noch besser ist es natürlich, wenn Kinder das selbst erarbeiten. Häufig lassen sich auch die Klassenlehrer dafür sensibilisieren und erarbeiten Regelwerke im Unterricht. Die Schule ist einfach der Ort, an dem man alle Kinder erreicht.

  • Dialog: Berichten Sie Ihrem Kind von möglichen Kettenbriefen und erklären Sie, dass diese immer unwahr sind.
  • Wissen: Besprechen Sie mit Ihren Kindern den wahren Ursprung der Briefe.
  • Regeln: Regen Sie Klassenregeln für den Klassenchat an, zum Beispiel über den Elternbeirat oder durch eine direkte Nachfrage bei der Lehrkraft.
  • Digitale Familienregeln: Ich bin ein großer Fan solcher Regeln, weil sie – wie das Wort schon besagt – nicht nur für Kinder, sondern für alle in der Familie gelten. Jeder hat dabei eigene Regeln, die gemeinsam verabschiedet werden.

Ist das Foto echt?

Kettenbriefe oder Falschmeldungen kursieren nicht nur in Textform, häufig werden auch Fotos verändert. Mit einem simplen Trick kann man hier der Wahrheit auf die Spur kommen. Wer sich unsicher ist, aus welcher Quelle ein bestimmtes Bild stammt, sollte dies selbst überprüfen.

Dazu kann man einfach das Bild bei tineye.com hochladen. Das Ergebnis zeigt, wann dieses Bild wo zum ersten Mal aufgetaucht ist und wie die Original-Fassung aussieht.